Die insulin-ähnlichen Wachstumsfaktoren, kurz IGF, sind eine Familie von Peptidhormonen, die der Insulin- und dem Wachstumshormon-System ähnlich sind. In den meisten Wirbeltieren existieren zwei Hauptformen: IGF-1 und IGF-2.
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Struktur und Bindung
IGF-Moleküle bestehen aus 70-80 Aminosäuren und weisen eine hohe strukturelle Homologie zu Insulin auf, wobei die charakteristischen Cystein-Brücken erhalten bleiben. In der Zirkulation sind sie meist in Komplexen mit IGF-Bindungsproteinen (IGFBPs) transportiert, wodurch ihre Halbwertszeit verlängert und ihre bioaktive Konzentration reguliert wird.
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Biosynthese
Die Gene für IGF-1 und IGF-2 werden im Hypophysenvorderlappen bzw. in Leber, Muskeln und anderen Geweben exprimiert. Nach Transkription und Translation durchläuft das Präprohormon eine Reihe von Cleavagen, bevor es als aktives IGF freigesetzt wird.
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Physiologische Funktionen
Funktion Beschreibung
Wachstum Stimulation der Zellproliferation und Differenzierung, besonders in Knochen und Muskeln.
Metabolismus Modulation des Glukose- und Lipidstoffwechsels, ähnlich wie Insulin.
Apoptose-Regulation Hemmung von programmiertem Zelltod bei vielen Zelltypen.
Neuroprotektion Schutz vor neuronalen Schäden, Beitrag zur Gedächtnisbildung.
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Signaltransduktion
IGF bindet an spezifische IGF-Rezeptoren (primär IGF1R). Dies aktiviert die intrinsische Tyrosin-Kinase-Aktivität des Rezeptors, führt zu Autophosphorylierung und löst downstream-Signalwege aus:
PI3K/Akt-Weg – Zellüberleben und Wachstum MAPK/ERK-Weg – Zellproliferation
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Klinische Bedeutung
Mangelzustände – Wachstumsstörungen wie Laron-Syndrom (IGF-1-Defizienz) oder Prader-Willi-Syndrom. Überproduktion – Kann zu Ödeme, diabetischer Retinopathie oder Tumorprogression führen. Therapeutische Ansätze – IGF-Analogien in der Behandlung von Muskeldystrophien; Antagonisten zur Hemmung tumorassoziierter IGF-Signalwege.
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Forschung und Zukunft
Aktuelle Studien untersuchen die Rolle von IGFs bei neurodegenerativen Erkrankungen, Herzinsuffizienz und als Zielmolekül für Anti-Krebs-Therapien. Die Entwicklung selektiver Modulatoren der IGF-Rezeptoren könnte neue Behandlungsmöglichkeiten eröffnen.
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Quellen
Alberts B. et al., Molecular Biology of the Cell, 6th Edition (2020).
Khosla S., Endocrine Reviews*, 2015.
--- Insulin-ähnliche Wachstumsfaktoren (IGFs) sind eine Gruppe von Peptiden, die im Körper wichtige regulatorische Funktionen besitzen und eng mit dem Insulinsignalweg verknüpft sind. IGF-1, auch als Wachstumshormon-abhängiger Faktor 1 bezeichnet, ist dabei der am häufigsten untersuchte Vertreter dieser Familie. Er spielt eine zentrale Rolle bei Zellwachstum, Differenzierung, Überleben und Stoffwechselregulation. Seine Konzentration im Blut wird stark durch die Freisetzung von Wachstumshormon (GH) beeinflusst, wobei GH die Leber zur Synthese von IGF-1 anregt. Gleichzeitig reguliert IGF-1 in einem negativen Feedback-Mechanismus die Produktion von GH.
Inhaltsverzeichnis
Grundlagen der Insulinähnlichen Wachstumsfaktoren
Struktur und Biochemie von IGF-1
Regulation des IGF-1-Spiegels im Körper
Physiologische Funktionen von IGF-1
Pathophysiologie: IGF-1 bei Diabetes mellitus
Klinische Anwendungen und therapeutische Möglichkeiten
Zukunftsperspektiven in der Forschung
Grundlagen der Insulinähnlichen Wachstumsfaktoren
Die IGF-Familie umfasst drei Hauptmember: IGF-1, IGF-2 und das Bindungsprotein IGFBP-3, das als Transporter wirkt. Diese Peptide teilen eine ähnliche Aminosäuresequenz mit dem Insulinmolekül, was ihre Fähigkeit erklärt, an insulinähnliche Rezeptoren zu binden. Durch diese Interaktion beeinflussen sie zahlreiche zelluläre Prozesse wie Proliferation und Apoptose.
Struktur und Biochemie von IGF-1
IGF-1 besteht aus 70 Aminosäuren und hat eine ähnliche dreidimensionale Konformation wie Insulin, allerdings mit einer höheren Bindungsaffinität für den IGF-Rezeptor (IGF-R). Nach der Synthese wird es in der Leber als pro-IGF-1 produziert und anschließend cleaved zu einem aktiven 70-Residuen-Molekül. In der Plazenta entsteht eine ähnliche, jedoch etwas unterschiedliche Variante.
Regulation des IGF-1-Spiegels im Körper
Der wichtigste regulatorische Faktor ist das Wachstumshormon. Bei einer erhöhten GH-Freisetzung steigt die Leberproduktion von IGF-1, während bei einer Unterdrückung der Spiegel sinkt. Zusätzlich modulieren verschiedene Faktoren wie Nährstoffstatus, körperliche Aktivität und hormonelle Veränderungen (z. B. Östrogen) den IGF-1-Spiegel. Die Bindungsproteine IGFBP-3 und IGFBP-5 steuern die Bioverfügbarkeit des freien IGF-1.
Physiologische Funktionen von IGF-1
IGF-1 wirkt als mitokondriale Energiequelle, fördert den Muskelaufbau und unterstützt die Knochenmineralisierung. Im Gehirn spielt er eine Rolle bei neuronaler Plastizität und kognitiven Prozessen. Auch im Immunsystem ist IGF-1 aktiv: Es moduliert die Aktivität von Makrophagen und T-Lymphozyten.
Pathophysiologie: IGF-1 bei Diabetes mellitus
Bei Typ-2-Diabetes mellitus zeigen Studien, dass der IGF-1-Spiegel häufig reduziert ist, was mit Insulinresistenz und Entzündungsprozessen zusammenhängt. Ein niedriger IGF-1 kann die Glukoseaufnahme in Muskelzellen beeinträchtigen und zur Dysregulation des Lipidstoffwechsels beitragen. Gleichzeitig wird beobachtet, dass ein erhöhter IGF-1-Spiegel bei Typ-1-Diabetes mit einer höheren Insulinanforderung korreliert, möglicherweise aufgrund der verstärkten Aktivität von IGF-R im Pancreas. Die Interaktion zwischen GH, IGF-1 und dem diabetischen Zustand ist komplex; ein Überschuss an GH kann zu Hyperglykämie führen, während ein Mangel an IGF-1 die Insulinempfindlichkeit verringert.
Klinische Anwendungen und therapeutische Möglichkeiten
In der Endokrinologie wird IGF-1 als diagnostisches Marker bei Wachstumshormondefiziten genutzt. Bei bestimmten seltenen Erkrankungen wie dem Kennedy-Syndrom oder bestimmten Formen von Lymphomen kann die Gabe von exogenem IGF-1 therapeutisch sinnvoll sein. In der Sportmedizin untersucht man den Einsatz von IGF-1-Analogien zur Förderung des Muskelwachstums, allerdings ist dies in vielen Ländern untersagt.
Zukunftsperspektiven in der Forschung
Aktuelle Studien konzentrieren sich auf die Entwicklung selektiver IGF-R-Antagonisten, um das Risiko für Krebs zu minimieren, während gleichzeitig die positiven Effekte von IGF-1 bei neurodegenerativen Erkrankungen genutzt werden sollen. Weiterhin wird erforscht, ob modulierte Ernährung (z. B. Proteinrestriktion) den IGF-1-Spiegel beeinflussen und damit chronische Krankheiten vorbeugen kann.
Insgesamt ist IGF-1 ein zentrales Signal im menschlichen Stoffwechsel mit weitreichenden Auswirkungen auf Wachstum, Energiehaushalt und Krankheitsentwicklung. Ein tieferes Verständnis seiner Regulation, insbesondere in Bezug auf Diabetes mellitus, könnte neue therapeutische Ansätze eröffnen und die Lebensqualität von Betroffenen verbessern.